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Sweet Tooth Band 3: Die Flucht – Rezension

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Sweet Tooth Band 3: Die Flucht
Rezension / Kritik

Gastautor michidiers bleibt weiterhin aktiv auf topfree.de und hat uns seine aktuelleste Rezension zukommen lassen. Diesmal geht es um das neue und erst vor wenigen Tagen erschienene 144-seitige Comicbuch „Sweet Tooth #3: Die Flucht“ (Panini Manga und Comic):

Das Hybridwesen Gus, eine Mischung aus Mensch und Hirsch, könnte der Schlüssel für die Rettung der wenigen Überlebenden unserer Menschheit sein, die vor Jahren durch eine schreckliche Seuche fast vollkommen dahingerafft wurde. Nach dem Verrat durch seinen vermeintlichen Freund Jeppert, ist Gus nun in einem wissenschaftlichen Lager gefangen und verbrecherischen Experimenten seiner Häscher ausgesetzt, die fieberhaft an Gus nach dem Grund der Seuche forschen. Jeppert scheint sich inzwischen langsam zu besinnen und wagt ein Tanz mit dem Teufel, als er sich mit dem wahninnigen Tierkult zusammentut, um Gus aus den Händen des einkalten Milizen Doug zu befreien. Doch Jeppert ahnt nicht, dass ihn im Lager seine persönliche Hölle erwartet.

Bevor ich zum Inhalt komme, möchte ich Jeff Lemire zunächst für seine kreativen Coverabbildungen loben. Von Ausgabe zu Ausgabe denkt er sich neue Motive aus, die mit ihren ideenreichen Symboliken auf den Inhalt der folgenden Geschichten neugierig machen. Dieses Cover könnte aus dem Malspiel „Malen nach Zahlen“ stammen. Es ist ein Bild, das erst zur Hälfte fertig ist. Fast scheint es, als wäre die Figur Gus noch in seiner Entwicklung und auf dem Weg, seine eigenen Profilfarben zu finden. Doch diese Farben sind mit Zahlen festgelegt, sein folgender Lebensweg scheint daher schon von anderen vorgegeben zu sein. Jeff Lemire deutet damit an, dass Sweet Tooth – wie ich finde – mehr und mehr zu einem typischen Entwicklungsroman in Comicform wird. Gus geistige und seelische Entwicklung wird geprägt von seiner persönlichen Auseinandersetzung mit sich selbst und mit einer hartherzigen Umgebung. Je mehr Erfahrungen der vormals von der Außenwelt vollkommen abgeschnittene, zerbrechliche Junge in der rauen Wirklichkeit einer postapokalyptischen Welt macht, je mehr verleibt er sich diese in seiner eigenen Persönlichkeit ein.

Jeff Lemire hat gut daran getan, Zeichnungen und Erzählung aus eigener Hand erledigen zu lassen. Daher ist er rein künstlerisch immer auf der sicheren Seite: seiner eigenen. Seine knappen surrealen Striche und unaufdringlichen Farben sind in der Lage weitaus mehr zu erzählen, als jede fotorealistische Darstellung. Vielmehr schafft es dem interessierten Leser sogar die Möglichkeit, sich in die Gefühlswelt der Figuren zu integrieren. Schon eine kleine Änderung in der Anordnung der Federstriche um die Augen von einem der Charaktere kann sich so übertragen. Mit diesem Mittel wurde der dramatische Twist am Ende zu einem lebendigen Ereignis, das erheblich mit meiner Gefühlswelt spielte und welches mir lange nicht aus dem Kopf ging. So führen eben auch die schlichtesten Mittel zu Nachdrücklichkeit und Schlüssigkeit und lassen neben den Schieflagen der menschlichen Gefühle auch die Gewalt in diesem Endzeitdrama so unheimlich real wirken. Jeff Lemire klammert szenische Grausamkeiten dabei weitestgehend aus. Für ihn scheinen diese eher eine dreckig-ästhetische Erscheinung zu sein, die weniger auf ihre expressive Darstellung setzt. Es reichen da schon ein paar hingekritzelte Striche und braunes Blut, um unherfliegende Gedärme darstellen, als ein Mann von wilden Hybridhunden zerrissen wird.

Fazit: Der Klappentext wartet mit recht knalligen (und abgedroschenen) Worten auf: „…das bislang bewegendste und schockierendste Kapitel seiner bahnbrechenden postapokalyptischen Erzählung„. Zunächst hatte ich diese inflationäre Ansammlung von Adjektiven in nur einem Satz noch etwas belächelt, was sich nach dem Lesen allerdings weitestgehend geändert hatte.

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