Neue Rezension von michidiers zum 136-seitigen Comicband mit einer Mischung aus Noir-Krimi und Horror. Fatale: Den Tod im Nacken:
Als Nicolas Lash den Nachlass des verstorbenen Schriftstellers Dominic Raines verwaltet, fällt ihm das Manuskript eines niemals veröffentlichten Romans in die Hände. Offenbar hatte Raines in den 50er Jahren Kontakte zu einer dämonischen Kraft, die schon seit Urzeiten unerkannt unter uns Menschen lebt. Als dann noch die verführerische Josephine auftaucht, spitzen sich die Ereignisse zu, denn diese Schönheit scheint seit den 20er Jahren immer wieder in bestialische Kultmorde verwickelt zu sein. Schnell ist Dominic der Femme Fatale verfallen und er spürt, dass der Roman ein schreckliches Geheimnis bergen könnte.
Wer sich diesen Comic des Künstlerteams Ed Brubaker (Autor) und Sean Phillips (Zeichner) kaufen möchte, der sei gewarnt: der Comic Femme Fatale ist dermaßen vielschichtig, dass es schon schwer ist, eine kurze Inhaltsangabe zu schreiben, denn die besondere Finesse des Comics besteht in seiner zeitlichen und erzählerischen Flexibilität. Ed Brubaker eröffnet die Geschichte damit, dass Nicolas und Josephine sich bei Raines Beerdigung kennenlernen, um danach in verschiedenen Phasen des letzten Jahrhunderts die Vergangenheit der Figuren zu beleuchten und am Ende wieder in der Jetzt-Zeit die Geschichte zu beschließen. Mehrere Zeit- und Erzählebenen durchreist die Story, die durch die vielen „Off-Kommentare“ zweier Erzähler und die Fokussierung auf die Beziehungsleiden seiner Hauptfiguren zusammengehalten wird. Die subjektive Sichtweise der Geschehnisse wird dabei zu einem Motiv des Comics. Im vorliegenden Fatale, es beinhaltet die US-Magazinausgaben #1 – #5, findet man dies vor allem bei Nicolas Lash, in dessen Kopf sich nach und nach ein Bild von dem konstruiert, was damals wirklich geschehen ist
Entsprechend vielschichtig sind auch die Themen, die in diesem mysteriösen Thriller verarbeitet werden, denn neben Elementen aus Thriller, Krimi, Film Noir und Erotik ist besonders der Einfluss des großen Horrorautors H.P. Lovecraft unübersehbar, so dass hier ein exzellenter Genremix entstanden ist. Die Gefahr der Entstehung eines zeitlichen und erzählerischen Flickenteppichs umgeht Brubaker dabei gekonnt, in dem er mit Josephine eine zentrale Figur einsetzt, die sich wie ein roter Faden durch die Ebenen der Geschichte zieht. Josephine, betörend schön und mysteriös gezeichnet von Sean Phillips, ist eine klassische Femme Fatale. Sie ist eine Frau mit tödlicher Anziehungskraft, der Männer verfallen und die ein schreckliches Geheimnis birgt. Sie verkörpert Versuchung und Schrecken, Hingebung und Abscheu. Ein Mann, der sich mit ihr einlässt, der weiß schell um den Untergang, in den ihn diese Frau führt.
Der Comic ist in vornehmlich schwarz/weiß/braun gehalten, da er zum Einen in Zeiten spielt, wo Farbaufnahmen kaum verbreitet waren, und zum Anderen die klassischen Elemente des Film Noir besitzt, die in der Regel schwarz/weiß sind. Durch spärliche Beleuchtungen werden auch hier besondere Akzente gesetzt. Figuren werden in Halbschatten gezeichnet, um geheimnisvoll und mysteriös zu wirken. Sean Phillips bedient sich des Spiels von Licht und Schatten, um Körper und Formen deutlicher hervorzuheben, dramatische Effekte zu steigern und eine geheimnisvolle, aber auch erotische Stimmung zu erzeugen.
Fazit: Ein düsterer Horrorthriller, dessen unheilschwangere Atmosphäre es mir schwer machte, das Buch auch nur kurz beiseite zu legen.