Anfang der 60er Jahre in einer fiktiven USA: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind geprägt von gesellschaftlichen Unruhen und Verbrechen. Einer der wenigen Lichtblicke in diesen düsteren Zeiten ist ein Verbrecherjäger namens Nite Owl, der zu einem Idol der Menschen auf der Straße wird. Doch als mehrere Morde an Prostituierte begangen werden, scheint auch Nite Owl an seine Grenzen zu stoßen. Er bekommte Hilfe von dem düsteren Rorschach und einer geheimnisvollen Lady, die stark mit der Rotlichtszene verbunden ist.
Als ich beim Händler den Text auf Buchdeckel las, wurde mir etwas Bleich im Gesicht und ich hätte den Comic fast schon wieder zurückgestellt. Stand dort tatsächlich: „Der Höhepunkt dieser Ausgabe ist die Zusammenarbeit des Vater-und-Sohn-Zeichnerteams Andy und Joe Kubert.“ Sollte das bedeuten, ich bekomme eine so schlichte Story zu lesen, deren erzählerischer Gehalt es sich nicht zu loben lohnt, dass man stattdessen beim Beifall auf die Zeichner auswich? Oder war die (post mortale) Kooperation der Kuberts wirklich so außergewöhnlich herausragend?
Beide Fragen kann ich mit einem „Nein“ beantworten. J. Michael Straczynskis hat eine gute und solide Story über Nite Owl geschaffen. Die Zeichenarbeit der Kuberts ist schlichtweg passend und kann als gelungen bezeichnet werden, ohne jedoch der einzige Höhepunkt des Vierteilers (US Nite Owl #1 – #4) zu sein.
Straczynski siedelt seine Story über den nächtlichen Verbrecherjäger ohne wirkliche Superkräfte und mit der Vorliebe für hübsche Fetischladys und technischem Schnickschnack in den 60ern an, eine Zeit, in der die USA viele gesellschaftliche Umbrüche erfahren muss und nach neuen Idealen sucht. Nite Owl stellt eine scheinbare Identifikationsfigur dar, ist der willkommene Liebling der Massen. Doch er hat düstere Geheimnisse, viele Leichen im Keller. Seine Identität scheint gar auf Lebenslügen aufgebaut, unter denen er zu zerbrechen droht, Einsichten kommen nur schleppend. Dass es kein richtiges Superheldenleben dem eigenen Lügenleben geben kann – von dieser Einsicht bleibt Nite Owl dann auch bis zum unsentimentalen Ende weit entfernt.
Gleich zwei Partner bekommt Nite Owl bei seiner interessanten und mit nur vier US-Ausgaben etwas zu kurz geratenen Verbrecherhatz zur Seite: Rorschach und Twilight Lady. Ersterem gibt Straczynski meines Erachtens zu viel Raum, lässt uns sogar mehr über ihn erfahren als in seiner eigener Miniserie in Before Watchmen 1 – Rorschach. Twilight Lady sorgt für den lasziven, von den Kuberts sehr erotisch in Szene gesetzten, Touch dieser Story. Die rothaarige Domina – in Moores Watchmen nur kurz angesprochen – wird hier zu seiner Partnerin. Doch auch diese Femme Fatale stellt sich am Ende als einer seiner Lebenslügen heraus. Das geschieht übrigens in einer der wenigen Szenen, in der sich diese Ausgabe mit Moores Watchmen überschneidet und auf geniale Weise zu verschmelzen scheint.
Die Kuberts als Vater-Sohn-Gespann arbeiteten am Zeichentisch glücklicherweise ohne allzu viele moderne Mätzchen, nostalgisch aber doch auch auf ihre Art aktuell und mit dem gewohnt kräftigen Strich, den Stil anderer beeinflussend aber auch irgendwo bei Neal Adams angesiedelt.
Fazit: Gut gezeichnet und besser als die vorangegangenen Ausgaben über den Comedian und Rorschach, kommt aber an die Minutemen definitiv nicht heran.
Rezension von michidiers, Oldenburg