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Alan Moore: Providence (Band 1) – Rezension

PROVIDENCE_1_SoftcoverNach dem Selbstmord seines Liebhabers steht der junge, beim New Yorker Herald beschäftigte Zeitungsredakteur Robert Black vor einer Identitätskrise. Inspiriert von einem Gespräch mit dem undurchsichtigen Wissenschaftler Dr. Alvarez und vom Interesse an alten Mythen kündigt er seinen Redaktionsjob und begibt sich auf eine Reise nach Norden in Richtung Providence, dort wo er ein Buch über scheinbar längst vergessene, uralte Mythen schreiben möchte. Seine Nachforschungen treiben ihn immer tiefer in eine Welt voller Schatten und menschlicher Abgründe.

Spätestens seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat der namensgebende Titel dieser Serie vor allem für die Leser von Horrorliteratur eine ganz besondere Bedeutung. Providence ist nicht nur die Geburtsstadt und überwiegender Wohnort des am 20.08.1890 geborenen und am 15.03.37 gestorbenen Schriftstellers H.P. Lovecraft, sondern auch die meisten seiner Horrorgeschichten spielen in oder in der Nähe dieser Region. Der Englische Comicautor Alan Moore, der sich gerne komplexer Sachverhalte aus Kultur, Krimi und Geschichte annimmt, diese in Comicform akribisch aufarbeitet und neu interpretiert, nähert sich in dieser Serie dem Werk des amerikanischen Schriftstellers.

In Providence lässt Alan Moore den von ihm erdachten Journalisten Robert Black in einer Welt recherchieren, in der die Mythen, die Schattenwelten und die unheimlichen Ereignisse aus den Romanen und Kurzgeschichten von Lovecraft die Realität sind. Je tiefer sich Robert Black darin ergeht, mit je mehr seltsamen Menschen er spricht und je mehr magische Orte er aufsucht, desto stärker eröffnet sich ihm ein unter einer dünnen Schicht der Alltäglichkeit und des Gewöhnlichen lauernder Horror. Lovecrafts schauerliche Inspirationen sind dann plötzlich ganz nah am Leser, zeigen sich kurz, um sich darauf wieder der Wahrnehmung zu entziehen. Es entsteht eine unheimliche Sogwirkung für den Protagonisten Robert Black – und dem Leser –, welcher man sich schwerlich entziehen kann.

Allerdings sollte man recht konzentriert lesen, denn die Liste von Anspielungen auf das Werk Lovecrafts und anderer, realer Symboliken unserer Welt ist lang. Metaphorische und „metatextuelle“ Kniffe erschließen sich oft nur aufmerksamen Lesern. Viele Namen und Orte kommen ins Spiel, verwirren diejenigen, deren Werk Lovecrafts noch nicht wirklich bekannt ist. Doch Alan Moore schafft ein wenig Abhilfe: Die am Ende eines jeden der vier Kapitel abgedruckten, handschriftlichen Tagebuchaufzeichnungen des Robert Black helfen über zwangsläufige Verständnislücken hinweg, schaffen gleichzeitig auch noch eine ganz neue Erzählebene.

Rein zeichnerisch gibt es kaum etwas auszusetzen. Jacen Burrows macht am Zeichentisch eine gute Arbeit, ist an den Stellen akribisch genau, wo es erforderlich ist und an anderswo auslassend, wenn das Kopfkino des Betrachters eingeschaltet werden soll. Die Farbgebung mit vorwiegend braunen und grauen Tönen ist passend.

Fazit: Wer mit dieser Serie das Werk Lovecraft kennen lernen will, ist mit einem Kauf falsch beraten. Wer dessen Werk allerdings aus einer neuen Sicht erschließen will, dem sei diese Serie angeraten.

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