In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts vereinigen sich einige maskierte Helden, um die immer mächtiger werdende Unterwelt und feindliche Aggressoren aus dem Ausland zu bekämpfen. Die Minutemen waren geboren. Doch nach anfänglichen Erfolgen bekommt die ehemals eingeschworene Gemeinschaft Risse. Die persönlichen Differenzen und verschiedenen Ansichten können im Laufe der dann folgenden Jahre nicht mehr überbrückt werden und es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die ehemaligen Freunde zu Feinden werden.
Erst einmal vorweg: Wer noch nicht Alan Moores Watchmen gelesen und Zack Snyders Verfilmung von diesem Meisterwerk gesehen hat, sollte es vor der Lektüre nachholen. Denn im Gegensatz zu Before Watchmen 2 – Rorschach bezieht sich das von mir soeben gelesene Minutemen an vielen Stellen auf Moores und Snyders Werk. Sicher, ohne Vorwissen kann es auch problemlos gelesen werden. Aber dann wäre es „nur“ die abgründige Reise eines vielschichtigen und bunt zusammengewürfelten Haufens von Helden durch drei Jahrzehnte Superhelden-Comicgeschichte, Gesellschaft und Politik in den Vereinigten Staaten von America von den Dreißiger bis in die Sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts.
Mit dem entsprechendem Vorwissen im Hinterkopf macht das Lesen dann aber noch weitaus mehr Spaß, weil man immer wieder in die Versuchung gerät, nach Spuren, Hinweisen und Überschneidungen zu Moores und Snyders Werken zu suchen – und sich darüber zu freuen, sie gefunden zu haben.
So ist Minutemen die große (angenehme) Überraschung unter den Comics, die ich im Genre der Superheldencomics in diesem Jahr lesen durfte. Denn diese Geschichte überzeugte mich nicht nur wegen des interessanten Artworks, sie konnte mich vor allem erzählerisch fesseln. Da Darwyn Cooke einen großen Teil der Geschichte von dem Teammitglied Hollis Mason (Nite Owl) wie seinen autobiografischen Roman „Under the Hood“ erzählen lässt, las sich für mich der ganze Comic auch wie Roman, so dass ich weitaus länger mit der Lektüre beschäftigt war als sonst.
Man findet sich übrigens sehr schnell zurecht in dieser fiktiven Welt, die so viele Gemeinsamkeiten mit unserer Realität aufweist, was sicher auch daran liegt, dass Zeichnungen, Text und Ideen mit dem Künstler Darwyn Cooke aus einer Hand kommen, so dass kaum Reibungsverluste bei der Verbindung von Wort und Bild beim Lesen entstanden. Das Artwork als solches lässt sich vielleicht aus einer Mischung des Originals (David Gibbons) sowie die Kunst von Mark Buckingham (Fables) und Jack Kirby beschreiben, wobei Cooke noch jede Menge zeichnerische Ideen einbaut, die mich mitunter echt staunen ließen.
Es gibt kaum Minuspunkte zu vermelden. Sicher sind es die wohl zu dick aufgetragenen sexuellen Vorlieben der Figuren: SM, Kinderschänder, Lesben, Vergewaltiger, Schwule. Fast die gesamte Palette wird dem Leser geboten, was etwas zu viel des Guten war. Ferner hatte ich das Gefühl, dass das deutsche Lektorat, bzw. die Übersetzung nicht immer ganz sauber gearbeitet hat.
Fazit: Ein vielschichtiger Superheldencomic, der nicht verpasst werden darf.
Autor: michidiers, Oldenburg