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PRIMO PREMIUM Band 1 – Rezension

Kaufen oder nicht kaufen? Manche Entscheidungen erfolgen aus dem Bauch heraus und rechtfertigen keine rationalen Überlegungen über Sinn und Zweck einer Anschaffung. Der Stein des Anstoßes lag vor einigen Monaten wieder einmal im Bereich des Comickaufs. Dabei gab es bei der Kaufentscheidung eigentlich nur zwei „klitzekleine“ Nachteile: 

1. Der Preis! Für die zweibändige Primo Premium Ausgabe wollte Herausgeber Peter Wiechmann (zu ihm weiter unten etwas mehr) satte 330 Euro haben. Optionale Personalisierungen schlugen – wenn gewünscht – mit weiteren 69 Euro zu buche. 
2. Aufgrund meines jungen Alters von 52 Jahren (Bj. 1966) und senerzeit anders gelagerter Interessen in Sachen Comics habe ich von dem im Kauka Verlag von 1971 – 1974 herausgebrachten Comicmagazin „Primo“ damals so gut wie nichts mitbekommen. Im allerbesten Fall kannte ich vielleicht eine oder zwei dort erschienen Serien vom Namen her. 

Jedoch kam, wie es kommen musste. Ich habe mich von dem auskommenden Hype unter den Interessierten in diversen Foren anstecken lassen und eines der auf -150- Exemplare limitierte Ausgaben bestellt. Schließlich wollte ich nicht, dass nachher alle begeistert sind und ich mit leeren Händen dastehe … was mir ja schon oft wegen meiner oft an den Tag gelegten Zögerlichkeit passiert ist. 

Nun aber zum Werk als solches, denn die Haptik kann sich durchaus sehen, fühlen und riechen (!) lassen. Es ist pures Handwerk und alles andere als Massenware:

– zwei Bände zu jeweils -380- Seiten,
– in einem festen, äußerst stabilen Schuber,
– handgebunden in einem Einband aus samtweichem Rindsleder mit schönen Prägungen,
– frei wählbare Farbvignetten auf der Titelseite,
– gedruckt auf festem, nicht glänzendem Papier und mit dem obligatorischen Lesebändchen in Umschlagfarbe.

Peter Wiechmann war über Jahrzehnte aktiver und unermüdlicher Macher in Sachen Comic, war seit Mitte der 60 er Jahre Redakteur, Texter, Produktionsleiter, Serienbeschaffer bei Comicinstitutionen wie Pabel (Kauka, Fix und Foxi), Koralle (Zack), YPS und anderen. Er holte erstmals auch Asterix, Lucky Luke oder die Schlümpfe nach Deutschland, im Falle von Asterix für schlappe 60 DM pro Seite. Am prägnantesten war ganz sicher die Zeit unter Rolf Kauka. Hier erschien auch besagtes „Primo“. Das Magazin richtete sich an die jungen Leser, die aus dem Fix und Foxi – Alter herausgewachsen waren und die man mit erwachsenerem Material bei der Stange halten wollte. Um die passende künstlerische Qualität zu generieren, wendete sich Wichmann an die zu dieser Zeit vor allem in Barcelona ansässigen und für ihre hohe Qualität berühmten Künstlerstudios. 

Nun habe ich den ersten der beiden Wälzer durchgelesen. Zu den einzelnen darin enthaltenen Comicstorys will ich mich nicht näher einlassen. Die Geschmäcker und Präferenzen sind da einfach zu individuell, zu vielseitig ist das Spektrum der Serien wie Odinson, Andraxx, Moustache, Kuma, Captain Terror oder Manila. Abenteuerserien wechseln sich mit Erotik, Geschichte, SF, Fantasy und Funnys; Wikinger, Piraten, Dschungel, Wilder Westen, dazu Interpretationen von Literaturklassikern von Stevenson oder E.A. Poe. Jedoch kann ich sagen, dass mich wohl kein anderes Comicwerk hinsichtlich der schöpferischen Intensität mehr beeindruckt hat als dieser. 

Es ist schon sehr beachtenswert, was die spanischen Zeichner seinerzeit erschaffen haben, und ich freue mich, dass sie mit dem vorliegenden Doppelwerk eine würdige Präsentation erhielten. Daher sollte man sich beim Lesen auch sehr viel Zeit lassen um nicht mit zu vielen Endrücken überflutet zu werden, ein gutes Rindersteak will schließlich auch nicht heruntergeschlungen und ein guter Rotwein nicht heruntergespült werden.

Aber Primo Premium bietet noch mehr als unentdeckte Bildergeschichten aus den 70ern. Hochinteressant sind die vielen Sachartikel mit Informationen zur Entstehung einzelner Serien und zu den beteiligten Künstlern, von denen einige schon nicht mehr leben. Hinzu kommen Fotos und Geschichten aus dem „Mikrokosmus“ des beschaulichen Schlosses Grünwald am Stadtrand von München, wo damals Rolf Kauka mit Familie residierte und der Redaktionstross von 1950 – 1975 unter seinen feudalherrschaftlich-wachsamen Augen arbeitete. Hinzu lagen der Lieferung noch zwei originale Colorite bei. In meinem Falle waren es je eine Seite aus „Die Schatzinsel“ (Carlos Giménez) und „Captain Terror“ (Joseph Gual). 

Fazit: Man hat nicht oft im Leben das Gefühl, bei einem Kauf einfach alles richtig gemacht zu haben. Bei Primo Premium habe ich es!

Hier noch eine Aufstellung der im Band 1 enthaltenen Geschichten und die Namen der Zeichner: 

Story-Titel:

1.) Die Schatzinsel
2.) Pichelsteiner: Wetten dass…? 
3.) Canada Crew: Der Indianer
4.) Manila: Flammendes Inferno
5.) Billy Press: Ein Killer zieht den Kürzeren
6.) Mister Melone: Das Weiße Haus zu verkaufen
7.) Bimba: Guru schlägt sich für Bimba
8.) Andrax: Irrwege des Schreckens
9.) Mischa: Eine Begegnung der (…) Art
10.) Mischa: Die Lachfolter
11.) Odinson: Das Schwert des toten Königs
12.) San Tomato: Wie alles begann
13.) San Tomato: Kolossaler Reinfall
14.) Kuma: Die Sklavenhändler
15.) WAT 69: Love Machine
16.) Capitan Terror: Käptn Kidds Todesfalle
17.) Furor Teutonicus: Die Fast-Verbrüderung
18.) E. A. Poe: Der Goldkäfer
19.) E. A. Poe: Grube & Pendel
20.) Odysseus: Bei den Phäaken
21.) Canada Crew: Gefährliche Rettung
22.) Andrax: Circus Maximus
23.) Moustache: Kapitaler Kohldampf

Zeichner:
1.) Carlos Giménez, Luis Garcia
2.) Riccardo Rinaldi
3.) Rafael Mendez
4.) Enric Badía Romero
5.+7.) Rafael Mendez
8.) Jordi Bernet
11.) Jesus Blasco
12.+13.) Angel Nadal
14.+21.) Rafael Mendez
15.+22.) Jordi Bernet
17.) Josep Martí
18.) Alfonso Font
20.) Carlos Giménez
23.) Jaime Mainou

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