„Inkursion“ ist der in diesem Paperback von diversen mitwirkenden Figuren oft und gern benutzte Begriff, dessen Bedeutung ich zunächst einmal nachschlagen musste: Mit diesem sprachlich veralteten Wort ist wohl so etwas wie Übergriff, Eingriff oder Feldzug gemeint. Rein inhaltlich hat der Autor Hickman damit eine kosmische Erscheinung gemeint, bei der mehrere Parallelwelten sich so nahekommen, dass sie kollidieren und nur noch eine Welt überleben kann.
Um den drohenden Untergang unserer Erde abzuwenden, beschlossen die Illuminati kurzerhand, alle anderen Parallelerden einfach zu vernichten. Damit machten sie allerdings eine Rechnung, ohne den Wirt: Captain America! Dieser – die düsteren Pläne der Illuminati ablehnend – verschlägt es mit einer Gruppe Mitstreiter in die Zukunft und bis an das Ende der Zeit, wo er immer wieder neue Inkarnationen der Rächer begegnet. Liegt dort der Schlüssel verborgen, damit die Inkursion ein wenig friedlicher abgewendet werden kann?
Irgendwann kurz nach der ersten Hälfte des vorliegenden Paperbacks, es enthält die Ausgaben #29 – #34 der Serie Avengers, sprach Captain America mir aus der Seele: „Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe“, sagte er zu einem scheinbar allwissenden Richards aus der Zukunft, der darauf mit verklausulierten Antworten die mysteriösen Vorgänge um Cap zu erklären versuchte. Zu diesem Zeitpunkt war ich geneigt, das Buch wegzulegen. Zu abgehoben, zu rätselhaft, zu ausschweifend war es mir geworden, was der Autor Jonathan Hickman mit der Superheldentruppe der Rächer da anstellt. Abgehobene Dialoge voller Metaphern und eine „fremdwortlastige“ Sprache, die aus dem Mund eines philosophierenden Astrophysikers stammen könnte, bestimmen die Geschichte fernab der einst so leichtfüßigen Superheldenunterhaltung.
Man merkt Hickman natürlich an, dass er engagiert schreibt und dass er es verdammt ernst meint mit seinen Geschichten – nach meinem persönlichen Geschmack allerdings zu bierernst. Es fehlen eindeutig die Elemente, die die Rächer in den vergangen Jahren so beliebt gemacht haben: ein wenig Seifenoper, die kleinen, augenzwinkernden Geschichten am Rande und auch die Tatsache, dass man sich als Superheld – und als Autor – selbst nicht ganz so ernst nehmen sollte.
Dass ich dann doch weiterlas, war meiner Engelsgeduld mit Hickman geschuldet. Und dass diese nicht zu einer Eselsgeduld wurde, lag daran, dass am Ende doch noch– wenn auch mit einigen Unlogiken – die dringendsten Fässer einigermaßen geschlossen wurden. Es sei aber angemerkt, dass damit die Sache mit dieser „Inkursion“ noch lange nicht vom Tisch ist: Am Ende gibt es noch einen recht deftigen Cliffhanger, der einiges anzukündigen scheint ….
Rein grafisch habe ich diesmal kaum zu meckern. Yu hat wie immer gute Einfälle, spielt seinen Ideenreichtum besonders bei Hickmans Steilvorlagen in Form der Darstellung der Erde und der Avengers in den Jahren 2060, 2250, 5250 und 51050 n. Chr. grandios aus. Aufgrund der tollen, phantasievollen Zeichenarbeit – und nur deshalb! – schafft dieser Band dann auch mit Ach und Krach die 3 von 5 Sterne.
Fazit: Ob die Illuminati die passende Erleuchtung zur Verfügung stellen können, um mich sicher über Hickmanns langes, steiniges Geläuf zu führen?